Der östlichste Nordosten von Estland ist fast wie Russland; hier leben 97% Russen. Das hörte sich interessant an für uns und wir haben uns auf den Weg in diese abgelegene Gegend gemacht. Beschreibung im Reiseführer: Industrie der Sowjet-Ära, typische sowjetische Arbeitersiedlungen, Abbau von Ölschiefer Sowjet-Beton-Ruinen, BetonWerk, Urananreicherungsanlage, stark russisch geprägtes Grenzland… Und dann in Narva – der Grenzübergang nach Russland.
Von Tallinn mit einem kurzen Spaziergangsabstecher an die Küste, war Sillamäe unser erstes Ziel. Es war schon die zweite Stadt, in der wir als erstes den Hafen sehen wollten. Aber – das scheinen „reine“ Industriehäfen zu sein. Schon die Straße dorthin ist privat aber befahrbar. Wir sind einfach so weit gefahren wie es geht – bis kurz vor die Hafentore. Und fanden uns in RIESIGEN Holzlagern wieder. Dies ist also eines der Ziele der vielen holztransportierenden LKWs. WOOOOW, unglaublich unfassbar wie viele 3-4 Meter lange Baumstämme sortiert nach Birke, Nadelholz und noch etwas anderem. Meterhohe und hundertemeter lange „Mauern“ aus Baumstämmen. Kaum vorstellbar was für riesen Flächen an Wald das einmal gewesen sein muss – und, ja doch vorstellbar, weil durch diese ewigen Wälder fahren wir seit 2 Wochen… Ganz offensichtlich waren wir an diesen Holzlagerplätzen aber nicht erwünscht.
Eine Stadt wie Sillamäe hatten wir beide noch nicht erlebt. Riesige Gebäude, die einen mit Häusern im stalinistischen Stil (so die Reiseführer Beschreibung der Architektur) die anderen „Arbeiter Baracken“, dicht an dicht. Viele Häuser zerfallen einfach so vor sich hin, manche sehen aus als seien sie einsturzgefährdet aber offensichtlich wohnen Menschen dort und die vielstöckigen „Baracken“ – um Himmels Willen – wer wohnt da, wer möchte da wohnen und was tut man, wenn man da wohnt? Wir sehen viele sehr junge Mütter mit kleinen Kindern – „was soll man hier auch sonst tun“ sagt Moksha. Sillamäe war zunächst ein beliebter Badeort der Oberschicht von St. Petersburg. Dann wurde es zu einem wichtigen Industriestandort ausgebaut. Im Krieg dann ziemlich zerstört und danach unter sowjetischer Besatzung wieder aufgebaut und mit Russen besiedelt. „Sillamäe existierte auf keiner Landkarte und durfte nur mit Sondergenehmigung betreten werden“ schreibt der eine Reiseführer. Der andere schreibt, dass es auch Leningrad 1 oder Moskau 400 genannt wurde. Im Gespräch mit anderen Reisenden haben wir uns auf Silladingsbums geeinigt, das war für uns einfacher.
Nachdem wir gestern kreuz und quer durch die Stadt gefahren sind, sind wir heute noch einmal zurück gekehrt, haben auf einem Parkplatz Mittagessen gemacht und sind die „Promenade“ zum Meer runtergelaufen. Krass, was für ein merkwürdiges Gefühl. Diese Promenade sieht aus wie im reichsten Ort und dann, links und rechts davon die Fassaden schön gemacht und dahinter, Stein auf Stein Baracken, teilweise sehr kaputt, es sieht extrem arm und düster aus. Das war eine beeindruckende Erfahrung.
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