Dieses Erlebnis stand eigentlich nicht auf unserer Liste; wir dachten Peter würde sich in Ruhe zu Hause erholen. Tat er im Prinzip auch, bis dann die Schmerzen doch zu schlimm wurden. So sind wir abends um 10 ins Krankenhaus gefahren. Also hospital sagt man hier nicht mehr, das heißt jetzt „Medical Center“. Außer darauf eingestellt Peter so gut es geht zu begleiten hatte ich mir weiter keine Gedanken gemacht. Ich hörte Moksha im Auto sagen: Oh, it´s a full moon night, that´s good, a lot of stuff in the hospital… Der Zusammenhang von Vollmond und erhöhtem Agressionspotential in der Bevölkerung wurde mir dann zum ersten mal bewusst, als ich vor dem Medical Center einige Polizeiwagen stehen sah. Dann eine Sicherheitskontrolle im Emergency-Eingang. Vollbewaffnete, in Schutzwesten gehüllte Polizeibeamte in der Notaufnahme. Ach du meine Güte. Ich habe es eigentlich gar nicht so mit Vorurteilen und afroamerikanischen Menschen, doch im Warteflur war ich dann doch beeindruckt. Neben mir der vor Schmerzen gekrümmte Peter und an mir vorbeilaufend viele große, breitschultrige, im Gesicht verletzte, blutende, von Polizisten geführte, durchsichtige Kotztüten tragende dunkelhäutige Männer. „Ist ja nur ein Film“ stimmte hier nun gar nicht sondern eher: „Ist ja wie im Film“. Nur in echt!

Da Peter mit der Auskunft: „vor zwei Wochen hier BypassOP, Atemnot und schlimme Schmerzen“ schnell drankam, waren wir aus der Flursituation schnell wieder raus. Dann beeindruckte mich nur noch der Rollstuhl. Habe vergessen wie das hier heißt, ein Rollstuhl für extrem dicke Menschen. Hatte ich auch noch nie gesehen. Da gerade kein anderer available war, wurde Peter in diesen gesetzt. Sah ein wenig verloren darin aus, ist er doch gar nicht dick. Füllte ungefähr die Hälfte der Sitzfläche aus… Dann hat Moksha mich abgelöst, ich konnte mir draußen die riesigen Rettungswagen ansehen. Hier in Amerika ist doch alles etwas größer…

Nach ersten Untersuchungen war klar, dass für Peter keine akute Gefahr bestand. Beim Warten auf weitere Untersuchungen durfte ich wieder ´rein. Das darf man aber nur, wenn man einen badge hat, den man sich auf die Kleidung klebt. Ich hatte keinen Ausweis dabei, den braucht man eigentlich. Sie haben mich erstaunlicher Weise ohne hereingelassen, scheinbar, weil ich vorher schon mit Peter am Arm an ihnen vorbeigelaufen war. In einem unglaublichen Gewimmel von Menschen in und um Notfallräume fand ich Zimmer 8. Peter bekam nun starke Schmerzmittel. Er konnte sich endlich wieder hinlegen und tiefer atmen.

Moksha und ich konnten beruhigt nach Hause fahren. Gut zu wissen, dass Peter nun unter professioneller Aufsicht war. Es war eine ruhige Nacht.

Am nächsten Morgen ein weiterer Besuch. Dieses Mal die ganze Sicherheitskontrolle mit Ausweis und allem DrumundDran… Peters starke Schmerzen scheinen von einem gezerrten Muskel zu stammen. Außerdem ist Wasser in der Lunge. Das scheint aber unter den Umständen nicht weiter zu beunruhigen. Eine Nacht wollten sie ihn aber noch dabehalten, um die Schmerzen in den Griff zu bekommen. Damit er wieder tiefer atmen kann…

So hatten Moksha und ich einen Tag „frei“. Den Sonnenuntergang haben wir mit AbendessenPicknick am Strand verbracht. Zum ersten Mal habe ich verstanden, warum ich immer wieder Menschen „aus Papiertüten trinken“ sehe. Weil  z.B. Alkohol am Strand verboten ist. Wir haben unser geteiltes Bier in alter ausgedienten Nusstüte versteckt.

Ein weiterer Plan für den Strand war: MakroFotos von Hautstrukturen zu machen. Mokshas Narben eignen sich dafür ganz hervorragend. Leider war es dann am Wasser zu windig und zu kalt. Schade. Ich wollte gerne ein paar Erfahrungen sammeln, weil ich nächste Tage ein „Date“ mit einem Künstler habe. Wie aufregend! Er möchte, dass ich Fotos mache, von seiner Kunst und von seinem Körper. Ich habe keine Ahnung was er sich genau vorstellt, das werden wir gemeinsam entwickeln…

Wir hatten ihn letzte Tage in seiner Ausstellung besucht. Ich fragte, ob ich Fotos machen darf. „Äh, nein, eigentlich nicht, oder vielleicht doch“ oder so ähnlich war seine Antwort. Etwas scheu habe ich 4 Fotos mit meinem Handy gemacht. Von ihm in seiner Kunst. Seine Reaktion in einer Mail an Moksha: „The images she shot today were better than any I have seen ever of my work …“  Ach du liebes Bisschen. Ich war völlig überrascht, habe ich doch „einfach nur“ Fotos gemacht, einfach so wie ich das immer mache. Jetzt habe ich quasi so was wie einen Auftrag, ich soll mir überlegen wie viel Geld ich möchte… Ich bin very excited, das könnte sehr spannend werden…